In einem Interview mit dem „manager magazin“ hat Montblanc-Chef Jérôme Lambert Stellung bezogen zu der Frage, wie sich in einem Leben des digitalen Höchstgeschwindigkeitswandels noch Fixpunkte ausmachen lassen. Bleibendes, dessen Substanz auch in Zukunft trägt.
Anders formuliert: Bilden Tradition und Fortschritt ein antagonistisches Gegensatzpaar oder lassen sie sich durch Schnittstellen miteinander verbinden? Gerinnt die Orientierung von Wirtschaft und Gesellschaft an Nachhaltigkeitsprinzipien im Zeitalter pausenloser Innovation nicht zu einer rückwärtsgewandten Utopie und damit zu Nostalgie?
Lambert verkennt das retardierende Momentum eines dogmatischen Nachhaltigkeitsbegriffes nicht und plädiert für eine Art „atmenden“ Begriff, dem ein adäquates Konzept der Anpassungsfähigkeit an den stetigen Wandel zur Seite gestellt wird.
Dazu lenkt er den Blick auf das psychologische Movens innerhalb des Nachhaltigkeitsdiskurses:
„Tatsächlich nimmt die Schnelligkeit der Veränderung in
der Welt, in der wir leben, zum Teil schon unmenschliche Züge an. Und durch den Wunsch nach Nachhaltigkeit drückt sich aus, dass es die Dimension der Menschlichkeit bei diesem Wandel unbedingt zu bewahren gilt. Nachhaltigkeit hat in dieser Interpretation für die Menschen die Funktion, eine Brücke von der Vergangenheit zum modernen Leben zu bauen.“
Natürlich darf diese Brückenarchitektur keiner starren Bauanleitung folgen. Sie muss vielmehr frei schwingen können, um ihre Verbindungsaufgabe zur digitalen Fluidisierung unserer Realitäten leisten zu können. Ein Nachhaltigkeitsbegriff als Navigationsinstrument und Richtungsweiser muss zwangsläufig auch ein Bekenntnis zur Moderne und ihrem Wandel beinhalten – ohne die Generalabsolution eines Freifahrtscheines freilich.
„Kapazitäten anzupassen, umzubauen, zu gestalten - das ist kein Gegensatz zur Nachhaltigkeit. Im Gegenteil: Kreativität und Technik müssen einen großen Teil dessen darstellen, was unsere Zukunft ausmacht.“
Von daher muss Nachhaltigkeit immer wieder neu gedacht werden, weiterentwickelt werden. Dazu zählt auch der bewusste
Umgang mit Traditionen und Dingen, die kulturell substantiell und damit bewahrenswert sind.
Dieses Nachdenken beginnt beim Einzelnen. Sich klar darüber zu werden, welche Konsequenzen mein Handeln oder auch Nicht-Handeln für die gemeinsame Zukunft hat.
Dazu zählt auch der Umgang mit Produkten und ihrem mitzudenkenden Ressourcenverbrauch
bei der Herstellung und ihrer Entsorgung.
Die Nachhaltigkeitsexpertin Alexandra Hildebrandt konstatiert in diesem Zusammenhang: „Wahrer Luxus ist nachhaltig, weil hochpreisige Produkte von den Konsumenten wertschätzender behandelt werden und wegen ihrer hochwertigen handwerklichen Verarbeitung länger halten.“
Produkte, die ein Leben lang genutzt werden können oder über einen langen Zeitraum, zahlen auf die Zukunft ein. Und das gleich doppelt: Sie schonen nicht nur materielle Ressourcen, sondern auch unseren mentalen Verschleiß – als mentale Anker.
Autor: Richard Kastner
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