Google Kalender, Wunderlist, Evernote, To Do-Programme und virtuelle Notizen – es gibt so viele Apps zur Organisation unseres Alltags, dass wir eine weitere App bräuchten, um nicht den Überblick zu verlieren.
Die meisten werden es bereits versucht haben: unterschiedliche Farben für unterschiedliche Ereignisse, gemeinsame Kalender mit Freunden und Kollegen, To Do-Punkte inklusive Erinnerungsmail oder die Zuordnung von Kategorien und Schlagworten. Einfacher wird es durch die technischen Hilfsmittel aber meist nicht.
Problematisch ist, dass die Organisationsmaßnahmen meist größere Zeitfresser sind als die Tätigkeiten, die sie organisieren sollen – vor allem dann, wenn mehrere Geräte benutzt werden. Ein Stichwort hört man in diesem Zusammenhang besonders oft: Synchronisation.
Smartphones, Laptops, Tablets und Arbeits-PCs: Damit die Termine ständig auf dem Laufenden und überall abrufbereit bleiben, kommunizieren die Geräte via World Wide Web miteinander und bringen sich gegenseitig auf den neuesten Stand. „Synchronisiere Dein Leben“ lautet der Werbespruch eines bekannten App-Anbieters.
Was die Apps aber nicht im Repertoire haben, ist gestalterische Freiheit. Sie offerieren uns als Nutzer, unsere Gedanken in vorgefertigte Schemata abzulegen. Kreative Layouts? Wohl kaum. Handzeichnungen zur Veranschaulichung? Fehlanzeige. Selbst schnelles Hin- und Herblättern oder das gezielte Überspringen vieler Seiten
gestalten sich mit den technischen Helfern oft schwierig.
Nicht nur das: Ein Notizbuch lässt uns Gedanken begreifen und erlaubt uns, sie zu drehen und zu wenden. Was in unserem Kopf keinen Platz mehr findet oder was wir unbedingt festhalten wollen, schreiben wir nieder. Notizbücher sind unsere Schlüssel zur Kreativität.
Konservieren wir unsere Ideen digital, binden wir sie an das technisch Mögliche. Daran wiederum scheiden sich die Geister. Die einen haben sich eingehaust im digitalen Notieren und Editieren und sind’s zufrieden. Dann gibt es da auch noch die Kombinierer, die Wanderer und Switcher zwischen den digitalen und analogen Welten.
Ihnen gegenüber stehen die Scharen der analogen Renegaten, Heimkehrer aus der digitalen Diaspora und die nachwachsenden Generationen, die nach Ursprünglichkeit suchen als Abkehr von der digitalen Entfremdung und deren allgegenwärtige Transparenzzwänge und Cloud-Abhängigkeiten.
Für alle die haben Notizbücher in den letzten Jahren wieder Kultstatus erlangt. Die handlich-praktischen Notizkladden sind trendy und zu Lifestyle-Produkten avanciert. Notizbücher sind der Schlüssel zur Kreativität.
Back to the roots - es ist kaum dem Zufall zuzuschreiben, dass nicht nur gefällige Papierprodukte ein Revival feiern, sondern auch Schallplatten, alte Telefone, Schreib- und Nähmaschinen und vieles andere mehr. Auch die Handarbeit erlebt ein Comeback.
Zyklische Gegenbewegungen waren seit jeher Bestandteil gesellschaftlicher Entwicklungen.
Die Gedanken sind frei – für die Welten von Cloud und Web hat diese Gewissheit wohl nur noch eingeschränkt Gültigkeit. Zumindest dort nicht, wo die Gedanken in Dateien gespeichert oder als Soundfiles vom Smartphone konserviert wurden.
Ideen, Einfälle, Skizzen, Alltagsaufgaben und Gedanken auf einem Stück Papier zu notieren ist ein Transformationsvorgang. Ein Übergang aus der Welt des Unsichtbaren, Abstrakten in unsere berührbare Realität. Deponieren wir unsere Inhalte hingegen in der Online-Welt, verschieben wir sie von einer abstrakten Ebene auf die andere.
Zudem sind Notizbücher keine Einbahnstraße und erlauben uns die Interaktion mit unseren Gedanken. So erscheint eine alleinstehende Idee möglicherweise von eher geringer Substanz. Blättern wir aber ein paar Seiten vor oder zurück, geschieht es immer wieder, dass eine ältere Eingebung eine neue befruchtet und das vermeintliche Leichtgewicht zu einem runden Gedanken formt.
Notizbücher bleiben also gewichtiger Teil unserer Zukunft. In einer komplexen Welt der Hochgeschwindigkeitsprozesse bleiben sie schlichte Garanten für ein zunehmend kostbarer werdendes Gut: Einfachheit und Greifbarkeit.
Am Ende des Tages sind die persönlichen Präferenzen ausschlaggebend. Die einen finden ihre Inspiration in der komplexen, vernetzten Welt ihrer Mobile Devices und ihrer Datenspeicher.
Die anderen halten es einfach - mit Stift und Papier: keep it simple. Und kreativ.
Autor: Richard Kastner
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