Die zentralen Treiber der atemberaubenden Handlung von „Finderlohn“, dem neuen, hochgelobten Thriller von Stephen King sind – Notizbücher, literarische Destillate, gleich 150 an der Zahl.
Ursprünglicher Besitz des – fiktiven und erfolgreichen – Schriftstellers John Rothstein und niedergeschriebene Urfassung möglicher späterer Druckwerke, entbrennt um den bislang unveröffentlichten Romanstoff eine mörderische Geschichte.
Natürlich erst, als Rothstein einem Mord zum Opfer gefallen ist, und der Inhalt seines Safes – Bares und der unermessliche Schatz der Notizbücher – seinen Besitzer gewechselt hat.
Ein Thriller um - gedruckte - Bücher, Literatur, das Schreiben als Handwerk und die Bedeutung - gelungener - Prosalektüre für das Leben. Von Stephen King zusammengetragen auf rund 540 Seiten (in der deutschen Übersetzung) und mit einem geradezu magischen Covermotiv als Einstiegstor in den Sog der Ereignisse versehen.
Ein Edelfüllhalter als Metapher für das Schreiben. Vergoldet die
Feder, von deren Spitze Blut statt der Tinte rinnt. Der Edelfeder als metaphorischen Verweis auf das Schreiben als buchstäbliches Handwerk stellt King mit dem Notizbuch eine zweite, komplementäre Metapher zur Seite.
Bilden Feder und (Papier-)Blatt seit Jahrhunderten ein traditionelles Begriffspaar, das stellvertretend für den Schriftsteller und Chronisten zur Metapher verdichtet wurde, verhält es sich mit dem Notizbuch etwas anders.
Die Kladde, das Notizbuch stieß erst später zur Grundausstattung der schreibenden Zunft. Natürlich gibt es immer wieder auch literarische Denkmäler, die Schriftsteller, Journalisten und Zeichner ihren Werkstätten in Form von Notizbüchern, Kladden und Sketchbooks gesetzt haben.
W. Somerset Maugham beispielsweise im “Notizbuch eines Schriftstellers” von 1949. Doris Lessing veredelte es gar 1962 farblich und literarisch in “Das goldene Notizbuch”, einem Roman, der allgemein als ihr Hauptwerk gilt.
Bewegend auch die tragische Variante eines Tagebuchs der dramatisch gescheiterten
Antarktis-Expedition von Robert Scott: Erst 2014 gab das Eis ein Notizbuch aus dem Jahr 1911 des britischen Arztes und Forschers George Murray Levick frei, der zu den Überlebenden der Expidition zählte.
Zum “Kleinen Schwarzen” und damit selbst zur Geschichte wurde das Notizbuch durch den Marketingschachzug des Unternehmens Modo & Modo, ihr einziges Produkt, das Moleskine-Notizbuch, kreativen Giganten wie Hemingway, Picasso, Oscar Wilde und Sartre geschichtenerzählend unterzuschieben.
Das hat natürlich seinen (Verkaufs-)Preis. Markenbildendes Storytelling vom Feinsten und überzeugender Anlass für eine Private-Equity-Gesellschaft, mit einem Millionen-Invest bei den Mailändern einzusteigen.
Da ist es gut zu wissen, dass das “Kleine Schwarze” auch mit kleinerem C02-Abdruck geht als hinter den Transportwegen eines “Made in China” mitschwingt. Lifestyle muss nicht teuer sein. Es ist der zu Papier gebrachte Inhalt, der zählt.
Autor: Richard Kastner
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