Die Beschleunigung des medialen Informationsflusses kennt keine Grenzen. Twitter-Feeds, 24h-Newsticker, Facebook-Posts im Sekundentakt, Bilderbombardement, Videoclip-Dauerbeschuss … Kein Ort nirgends, so will es scheinen, an dem wir dem digitalen Dauerdruck eine Atempause abringen können.

 

Viel schlimmer noch: Wann immer wir News, Urlaubsfotos von Freunden oder eine Filmserie konsumieren, sind Google, Facebook, Amazon, Netflix & Co. mit im Boot und schauen uns über die Schulter. Privatsphäre scheint im 21. Jahrhundert flüchtiger als ein leichtes Parfum zu sein. Schon wurden die ersten Generationen geboren, die das Gut der Anonymität nur aus Erzählungen kennen.

 

Doch gibt es Brüche in dieser offensichtlich nur vermeintlich linearen Entwicklung der Beschleunigung und Digitalen Disruption der Privatsphäre. Musterbeispiele des so genannten Backlash, des Zurückschwingens des Pendels. Die längst totgesagte Schallplatte boomt, der Buchmarkt floriert und selbst das bereits abgeschriebene Zeitschriftenregal ist lebendiger denn je.

 

Die Messenger boomen: Teilen, Liken und Kommentieren wird aus den öffentlichen Plattformen zurückverlagert in den privaten Bereich. Sozusagen in einen digitalen Subkosmos, was heutzutage fast schon subversive Züge trägt.

 

Dabei handelt sich aber mitnichten um einen bis dato unbekannten Trend: Der Wunsch nach haptischen Erlebnissen, Entspannung und (Lebens-)Qualität ist fundamental und seit jeher ein Teil von uns. Und so steigen bestimmte Produkte und Werkstoffe auch zu haptischen

 

 

Ankern auf, wie beispielsweise der Entschleunigungsfaktor Papier.

 

Entschleunigung
statt Dauerberieselung

 

Selbst schnelllebige, digitale Medien verwenden inzwischen gezielt Entschleunigungselemente und entlasten die Gehirne ihrer Nutzer temporär. Printmedien haben es mit der Entschleunigungstherapie naturgemäß leichter. Als Fokusmedien stehen sie für Low Tech und multisensorische Erlebnisqualität.

 

Auf ein Fokusmedium richtet der Nutzer seine volle Aufmerksamkeit. Dem gegenüber stehen nicht nur die sozialen Netzwerke und das Internet im Allgemeinen, sondern auch die sogenannten Diffusionsmedien, die der Hintergrunduntermalung dienen. Bei älteren Semestern handelt es sich dabei meist um den Fernseher oder das Radio, bei jüngeren Nutzern belegen u. a. YouTube und Netflix die vordersten Plätze.

 

Der Wunsch nach Slow Media wird in der gesellschaftlichen Breite aufgegriffen, was sich beispielsweise an TV-Produktionen wie „Mad Men“ oder der aktuellen Netflix-Serie „Stranger Things“ ablesen lässt. Diese Serien bieten dem Zuschauer einen verlässlichen roten Faden, sind auf Langfristigkeit ausgelegt und bilden auf diese Weise Konsatnz mit Ruhepol-Charakter.

 

„Horizontales Erzählen“ nennt sich diese Orientierung an einer fortlaufenden Gesamthandlung. Das Gegenstück ist das „vertikale Erzählen“, wie es beispielsweise die britische TV-Produktion „Black Mirror“ praktiziert, bei der jede Folge eine abgeschlossene Geschichte ist.

 

 

 

Printmedien sind Fokusmedien

 

Der Trend zu Slow Media bleibt natürlich auch den Mitgliedern der AG Zukunft nicht verborgen. Als

Papierverarbeiter verfügen sie natürlich über einen idealen, trendfähigen Werkstoff. Analoge Papierprodukte bilden per se den berührbaren Gegenentwurf zur digitalen Getriebenheit.

 

Das trifft nicht nur auf unseren Umgang mit Magazinen und Büchern zu, sondern berührt auch unseren gestalterischen Umgang mit Papier. Es befördert die reflektierende Entspannung bei, wenn wir unsere Gedanken in einem Notizbuch als Tagebuch sammeln und ordnen.

 

Auch unsere Zeitplanung erhält einen persönlicheren Touch, wenn wir dafür auf haptische Medien zurückgreifen. Mit einem Werbekalender aus Papier haben wir die Zeit im Griff, sind nicht auf Google, ein funktionierendes W-LAN-Netz oder einen ausreichend geladenen Akku angewiesen.

 

Und ganz nebenbei schlagen wir Big Brother ein Schnippchen – was wir in unser Notizbuch oder unseren Kalender schreiben, bleibt unsere Privatsache.

 

 

Autor: Richard Kastner

 

 

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