High Tech braucht High Touch
Der Schlaf lässt mal wieder auf sich warten. Die Finger tasten sich durch die Dunkelheit – ein kurzer Wischer über die Screen und die Leuchtfunktion des Smartphones ist aktiviert: 1:31h. Das Gedankenkarussell dreht sich weiter ...
Wer hätte gedacht, dass mein Traumjob als Creative Director in eine Termin-, Orga- und Controlling-Orgie mutiert? Was mich natürlich nicht davon entbindet, weiterhin gute, strategisch fundierte Ideen und Texte liefern zu müssen.
Intuitiv tastet die Hand weiter nach rechts. Da liegt er, zuverlässig wie immer auf dem Nachttisch – nicht sein einziger Dauerparkplatz. Getreu meines Mottos: Nicht ohne meinen Block!
Ich knipse das Licht an und greife mir den Block: handliches DIN-A-5-Format mit inspirierenden Blankoseiten – freier Raum, den ich flexibel nutzen kann: für Claim-Ideen in großem Schwung, seitenweise Fließtexte, Storyboards, To-Do-Listen, schnelle Notizen, strategische Backgrounder usw.
Gutes Gefühl, die Kopfhexen auf Papier bannen zu können – zuverlässig, selbstwirksam, nur für meine Augen! Ich gönne dem Smartphone einen kurzen Blick – da kannst du leider nicht mithalten ...
Der Kuli (natürlich einer der zuverlässigen Sorte! Bei all den klapprigen, klecksenden Werbekugelschreibern ist auch immer einer dabei, der überzeugt – dem Absender sei Dank!) fliegt
über die Seiten – die To-Do-Liste für morgen steht schon. Wie war noch die Idee für die Headline, die mir auf dem Weg nach Hause durch den Kopf schwirrte? Wie blöde, dass ich im Stress keinen Block aus den Büroreserven mitgenommen habe.
Dann fange ich eben einfach mittenmang an – ist für mich eh das beste Rezept gegen die Angst vorm weißen Blatt. Gesagt, getan. Und schon füllt sich die Seite.
Für einen Moment denke ich an all die Studien, die mittlerweile zum Thema mit Handschrift vs. Tippen vorliegen. Kann ich nur bestätigen – der motorische Flow steckt auch die kreativen Neuronen an.
Weiterblättern – ich liebe dieses zarte Rascheln und den geschmeidigen Schreibfluss, der ein Blatt nach dem anderen erobert. Dann schaue ich noch mal drüber, feile hier und dort, dabei blitzt auch eine passende Headline auf.
Noch flott ein paar Skizzen fürs Storyboard zum Minispot auf Youtube – meine Zeichenkünste lassen zu wünschen übrig, aber dem weißen Blatt ist das egal, Hauptsache die Struktur und der Inhalt der Szenen wird erst einmal mir selber klar. Ein Glück, dass ich dafür kein Zeichenprogramm nutzen muss, sondern mich einfach austoben kann.
Lieben Gruß bei der Gelegenheit an unseren Art Director. Verstehe, warum er Print liebt und immer einen Flunsch zieht, wenn er seine Gestaltungskünste z.B. auf einer Homepage spielen lassen muss.
Wie sagt er immer so schön: „Das kannst du vergessen. Bei all den Formatvorgaben kannst du dir höchstens überlegen, ob das Bild besser kleiner oder größer, rechts, links oder mittig platziert wird. Kein Vergleich zu den Möglichkeiten im Print.“
Fertig! Der Kopf gibt endlich Ruhe. Im Schreibflow haben sich die Aufgabenknäuel entwirrt, halbgare Ideen entwickelt, und wie am Schnürchen entfaltet.
Ich schließe den Block und mein Blick bleibt auf dem Umschlagmotiv hängen: „Wer schreibt, der bleibt.“ Dazu das Logo eines bekannten Printanbieters - und natürlich ein FSC®-Siegel.
Werbeblocks sehr gerne, sofern sie aus Papier sind und Nachhaltigkeit garantieren. Sonst meldet sich das schlechte Gewissen, und das ist nicht nur für den Schreibfluss kontraproduktiv.
Auch eines der prägnanten Beispiele, wie hervorragend sich Papier als Kreativmedium eignet. Schon viele toll gestaltete Deckblätter und Umschläge gesehen, auch ein schöner Rücken kann entzücken, oder edle Seiten-Brandings mit dezent platzierten Logos, Key Visuals, Sprüchen – Werbebotschaften, die mir immer wieder ins Auge fallen und umso besser hängen bleiben.
Kurz vorm Einschlafen denke ich noch: Die Blockreserven müssen aufgefrischt werden und für offizielle Meetings brauche ich mal wieder ein schickes Notizbuch …
Autor: Richard Kastner
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