Seit jeher versuchen wir, die abstrakte vierte Dimension der Zeit anhand unterschiedlichster Schemata begreifbar werden zu lassen. Doch ob Sonnenuhr oder gregorianischer Kalender: Das perfekte Zeitrechnungssystem konnte die Menschheit bis dato nicht finden.
Mit dem Schalttag, der den Monat Februar alle vier Jahre um 24 Stunden verlängert, nähern wir uns einer Lösung zumindest an. Doch warum benötigt der Kalender überhaupt Schaltjahre?
Eigentlich passt alles: Der Tag hat 24 Stunden, die Erde dreht sich um die eigene Achse und die Jahreszeiten wechseln sich der Reihe nach ab. Würden wir den Schalttag von heute auf morgen absetzen, würden wir dies zunächst vermutlich nicht bemerken. Doch der Teufel steckt im Detail: Blicken wir einige Jahrhunderte in die Zukunft, könnte es zu erheblichen Schwankungen kommen.
Unser Sonnensystem ist so aufgebaut, dass die Erde nicht nur um sich selbst, sondern auch um die Sonne kreist. Für diese Strecke
benötigt sie etwa 365 Tage. Das „etwa“ ist entscheidend: Genau genommen beträgt die Dauer nämlich 365,2422 Tage.
Ähnlich wie bei einer Uhr, die nur wenige Millisekunden zu früh umspringt, käme der Kalender durch die minimale Differenz langfristig aus dem Tritt, und zwar etwa einen Vierteltag pro Jahr.
Was zunächst harmlos klingt, hat bereits in 100 Jahren gravierende Auswirkungen: Der Verzug betrüge zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 24 Tage. Spinnt man den Gedanken weiter, wäre es gut möglich, dass wir das Weihnachtsfest in einigen hundert Jahren unter der prallen Sommersonne feiern.
Warum ausgerechnet der 29. Februar als Schalttag herhalten muss, ist schnell erklärt: Im römischen Kalender hieß der Februar noch „Februarius“ und war der letzte Monat des Jahres. Aus diesem Grund war er der Monat, dem noch ein weiterer Tag hinzugefügt werden konnte.
Ob mit oder ohne zusätzlichen Tag: Als Kalenderhersteller sorgen wir
dafür, dass die Zeit greifbar bleibt. Der klassische Papierkalender dient nämlich nicht nur als Entschleunigungstool, das in Zeiten digitaler Datenfluten für Übersicht sorgt, sondern gleichsam als haptischer Hafen in einer durchtechnologisierten Welt.
Smartphone-Wissenschaftler Alexander Markowetz spricht in diesem Zusammenhang gar von einem „digitalen Burnout“ und rät zur „digitalen Diät“. Welcher Tag könnte dafür geeigneter sein als der 29. Februar?
Schließlich werden uns volle 24 Stunden geschenkt, die uns anderweitig nicht zur Verfügung stünden. Leiden müssen nur die Geburtstagskinder. Wer möchte schon bloß alle vier Jahre Geburtstag feiern?
Autor: Richard Kastner
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